Zugegeben, der hybride Vertrieb ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern gängige und gegenwärtige Praxis in vielen Unternehmen. Spätestens seit der Corona-Pandemie unterliegt der B2B-Vertrieb grundlegenden Veränderungen. Der Vor-Ort-Vertrieb im Geschäftsumfeld war während des Lockdowns nahezu komplett eingestellt. Der Ausnahmezustand hat dabei unweigerlich zur Innovation des Vertriebs beigetragen. Viele B2B-Unternehmen setzen seither erstmals auf eine hybride Vertriebsstrategie. Dabei verknüpfen sie digitale und analoge Vertriebskanäle und verfolgen einen sogenannten Hybrid Selling Ansatz.
In diesem Artikel beleuchten wir, was man unter hybriden Vertriebskanälen versteht, welche Vorteile der hybride Vertrieb bringt und welche Faktoren Sie bei der Umsetzung einer hybriden Vertriebskanal-Strategie beachten müssen.
Was versteht man unter hybridem Vertrieb und hybriden Vertriebskanälen?
Der hybride Vertrieb ist eine Kombination aus persönlichen Vor-Ort-Besuchen von Angesicht zu Angesicht und Online-Besprechungen, z.B. über Video-Plattformen wie Teams oder Zoom. Damit beschreibt Hybrid Selling eine Verkaufsstrategie, die durch zwei unterschiedliche Ansätze geprägt ist.
Im Vergleich zu rein digitalen Vertriebsstrategien berücksichtigt der hybride Vertrieb weiterhin den zwischenmenschlichen Kontakt zwischen Verkäufer und Kunde, der durch persönliche Präsenz bestimmt ist. Beim hybriden Vertrieb geht es deshalb darum, die intensive persönliche Betreuung aus der analogen Welt beizubehalten. Gleichzeitig soll das veränderte Kundenverhalten in Zeiten der Digitalisierung gewinnbringend adressiert werden.
Rund um das Thema hybride Vertriebskanäle ranken sich viele Buzzwords:
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- Vertrieb 4.0
- Hybrid-Sales
- Hybrid-Selling
- Multikanal-Vertrieb
- Omnichannel-Vertrieb
- Remote-Sales
- Social Selling
- Virtual Sales
- Sales Enablement
Hinter diesen Buzzwords steht ein Mix aus unterschiedlichen Vertriebskanälen. Je nach Verkaufssituation und Kundenerwartungen nutzen Unternehmen bestimmte Kanäle. Das Ziel des hybriden Vertriebs besteht im konsistenten Zusammenspiel aller Marketingkanäle und Vertriebswege. Sind alle Kanäle systematisch in den Verkaufsprozess eingebunden, können Sie den gestiegenen Kundenbedürfnissen besser gerecht werden.
Weshalb brauchen Unternehmen digitale und analoge Vertriebskanäle?
In einer 2021 veröffentlichten Studie der Ruhr-Universität Bochum wurden 777 Unternehmen aus der DACH-Region zum Stand des hybriden B2B-Vertriebs befragt hat. Die Studie hat zum Ergebnis, dass 89 % der Vertriebsmitarbeiter ihre Kunden während des Corona-Jahrs 2020 nicht vor Ort besucht haben. Trotzdem konnten diese Unternehmen ihre Verkaufsziele zu 97 % erreichen.
Die Unternehmen geben in diesem Zusammenhang an, dass dies nur aufgrund des Wechsels zum hybriden Vertrieb möglich gewesen sei. Die Studienergebnisse belegen zudem einen enormen Zuwachs bei der Kundeninteraktion über digitale Vertriebskanäle. Im Vergleich zum Vorjahr berichten Unternehmen von einem Anstieg…
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- der virtuellen Kundeninteraktion um 171 %
- der Verkaufsgespräche per Video-Anrufe über das Smartphone um 48 %
- der Produkt-Demonstrationen über Online-Vertriebskanäle um 20 %
Die Online-Vertriebskanäle stellen auf Seite der Kunden eine bedeutende Vereinfachung der Einkaufsprozesse dar. Somit liefern Online-Vertriebskanäle einen echten Kundennutzen. Vorteile entstehen aber nicht nur auf Kundenseite, sondern auch auf Anbieterseite. B2B-Unternehmen berichten von Effizienzsteigerungen und den Vorzügen zunehmender Flexibilität. Ein beispielhafter Ablauf des hybriden Verkaufsprozesses sieht wie folgt aus:
- Digital: Lead-Generierung mittels Content-Marketing
- Digital: Kontaktanbahnung über soziale Netzwerke
- Analog: Bedarfsermittlung per Telefon
- Digital: Lead-Nurturing mittels E-Mail-Marketing
- Vor Ort: Anforderungsanalyse
- Vor Ort: Vertragsverhandlung und -abschluss
- Digital: Betreuung und Projektdurchführung mithilfe von Projektmanagement-Tools
- Vor Ort und Digital: Pflege der Kundenbeziehung und Kundenbindung mittels CRM-Software
Zur Unterstützung der einzelnen Phasen des hybriden Verkaufsprozesses können Marketer und Vertriebsmitarbeiter entsprechende Softwares nutzen.
In 5 Schritten zu einer hybriden Vertriebskanal-Strategie
1. Schaffen Sie eine Omnikanal-Präsenz für individuellere Customer Journeys
„Der Kunden ist König“ lautet hier das Motto. Damit Sie ihn auch so behandeln können, sollten Sie ihm eine breite Auswahl an Vertriebskanälen bieten. Der Omnikanal-Ansatz ermöglicht Ihnen eine maximale Ausrichtung Ihrer Vertriebsaktivitäten auf die individuellen Vorlieben der Kunden. Dies verbessert die Kundenerfahrung während des gesamten Kaufprozesses.
Aktuelle Studien zeigen, dass sich etwa die Hälfte der B2B-Kunden einen digitalen Einkaufsprozess wünschen. Die andere Hälfte wiederum bevorzugt die persönliche Betreuung durch einen Außendienstmitarbeiter. In der Realität schreiben noch immer viele Unternehmen ihren Kunden vor, welche Vertriebskanäle sie nutzen müssen – ohne die Berücksichtigung der individuellen Kundenbedürfnisse. Mit Hybrid Selling berücksichtigen Sie jedoch beide Bedürfnisgruppen, indem Sie Offline- und Online-Vertriebskanäle miteinander verbinden.
In Zeiten zunehmender Individualisierung sollten B2B-Unternehmen ihre Kunden selbst entscheiden lassen, welche Kanäle sie wählen möchten. Und auch, ob diese inmitten des Kaufprozesses auf andere Kanäle wechseln wollen. Ihre Verkaufsstrategie sollte sich deshalb daran orientieren, wie und wo der Kunde kauft – und nicht daran, wie und wo Sie verkaufen wollen.
2. Ermöglichen Sie Sales-Enablement durch die Verflechtung von Marketing und Vertrieb
Um den hybriden Kundenanforderungen gerecht zu werden, ist eine enge Verzahnung von Marketing und Vertrieb erforderlich. Durch die Integration von Marketing und Vertrieb ermöglichen Sie das sogenannte „Sales Enablement“ – die Befähigung des Vertriebs zur Verkaufsförderung. In der Realität gilt das Marketing heute noch häufig als technischer und kreativer Zuarbeiter des Vertriebs. Dabei sind Marketingmitarbeiter selbst selten in Vertriebsprozesse oder gar in den Kundenkontakt eingebunden. Ist die Distanz zwischen Marketing und Kunden jedoch zu groß, wächst der Abstimmungsbedarf zwischen Abteilungen. Eine kundenzentrierte Denk- und Arbeitsweise des Marketings ist daher wichtiger denn je. Vor allem in Anbetracht der individuellen Customer Journey. Kunden können mittlerweile jederzeit zwischen analogen und digitalen Vertriebskanälen wechseln.
Statt weiterhin in Parallelwelten zu arbeiten, sollten Sie daher das Silodenken überwinden, indem Sie beide Fachbereiche integrativ verknüpfen. Dies kann durch eine gemeinsame Leitung und einer Verflechtung der Abteilungsstrukturen geschehen. In diesem Zusammenhang bietet der Einsatz von Marketing-Automation-Software einen entscheidenden Vorteil. Dadurch ermöglichen Sie nicht nur das Sales-Enablement sowie die effizientere Umsetzung der Vertriebsprozesse, sondern steigern auch die Kundenorientierung.
3. Identifizieren Sie individuelle Entwicklungsmöglichkeiten Ihrer Vertriebsmitarbeiter
Die Implementierung einer hybriden Vertriebskanal-Strategie erfordert womöglich neue Kompetenzen bei Ihren Vertriebsmitarbeitern. Beim Umstieg auf neue Vertriebskanäle sollten Sie Ihre Mitarbeiter daher umfassend weiterbilden. Neue Tools und Softwares müssen zuerst erlernt und erprobt werden. Im digitalen Kontext gilt es dabei vor allem, einen professionellen Umgang mit Videokonferenz-Tools zu entwickeln. Das Ziel hierbei ist es, dass sich Kunden über alle Vertriebskanäle hinweg umfassend betreut und kompetent beraten fühlen. Grundlegend hierfür sind eine hohe Veränderungs- und Lernbereitschaft Ihrer Mitarbeiter.
In diesem Zusammenhang sollten Sie bedenken, dass jeder Mitarbeiter anders ist und anders lernt. Unternehmen sollten die individuellen Weiterbildungsmöglichkeiten daher zusammen mit ihren Mitarbeitern ermitteln. Dies unterstützt Mitarbeiter dabei, neue fachliche Fähigkeiten innerhalb der hybriden Vertriebswelt zu erwerben und sich individuell weiterzubilden. Dabei sollten Sie das Ausmaß eines solchen Veränderungsvorhabens für den Einzelnen nicht unterschätzen. Im Allgemeinen sollten Unternehmen bei Change-Management-Projekten zwar zielorientiert, aber auch sehr empathisch vorgehen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und sieht anstehenden Veränderungen häufig kritisch entgegen. Sie sollten daher ein Verständnis für jeden einzelnen Mitarbeiter aufbauen und herausfinden, was er für den erfolgreichen Wechsel in die hybride Vertriebswelt benötigt.
4. Begeistern Sie Kunden beim persönlichen Kontakt
Durch Zunahme der digitalen Interaktion wird die persönliche Begegnung zur Besonderheit. Deshalb sollten Sie jeden Termin vor Ort als Event verstehen, das einen spezifischen Zweck erfüllt. Ein Kundenbesuch sollte daher einen klaren Nutzen bringen und einen merklichen Mehrwert für den Kunden generieren. Beispiele für solche Events beim Kunden vor Ort können die exklusive Vorstellung eines neuen Prototyps sein oder bei Neukundeterminen eine Analyse der Ausgangssituation. Vor allem bei letzterem hat der persönliche Kontakt eine besondere Bedeutung.
Nonverbale Komponenten in der Kommunikation erleichtern es, Kundenbeziehungen zu knüpfen und zu entwickeln. Eine persönliche Besprechung vor Ort wirkt daher stärker, ist aber mit mehr Aufwand verbunden als eine telefonische Besprechung. Daher sind Verkaufsaktivitäten, die durch Präsenz bestimmt sind, vor allem bei komplexen Produkten und Services wichtig. Um dennoch die Vorteile der Effizienzsteigerung im hybriden Vertrieb zu realisieren, empfiehlt es sich, digitale Vertriebskanäle zur Kontaktanbahnung zu nutzen. Im Nachgang und Folgegespräch können Sie dann in den persönlichen Austausch wechseln.
5. Nutzen Sie eine CRM-Software zur Unterstützung Ihrer Sales-Pipeline
Ein CRM-System ermöglicht Ihnen die Einbindung aller digitalen Vertriebs- und Marketingkanäle. Mithilfe einer CRM-Software ist es einfach möglich, Kundendaten zu sammeln und die Kundenbedürfnisse besser zu verstehen. Sie erkennen, welche Kanäle Ihr Kunde genutzt hat. Dadurch können Sie die Interessen und Vorlieben für bestimmte Vertriebskanäle ableiten. Diese Einblicke können außerdem von Ihrem Marketing-Team gewinnbringend genutzt werden, um die Kunden auf den Vertrieb vorzubereiten. Dadurch ermöglichen Sie, wie oben thematisiert, das sogenannte Sales-Enablement.
In Ihrem CRM-System können Sie aber nicht nur digitale Vertriebskanäle einbinden. Auch Informationen aus analogen Kundeninteraktionen, wie beispielsweise aus einem persönlichen Verkaufsgespräch, können Sie in Ihrem CRM-System dokumentieren. Achten Sie dabei darauf, jegliche Kundenkontakte und -interaktionen in Ihrem CRM-System zu protokollieren. Somit stellen Sie sicher, dass sämtliche Kundeninteraktionen für alle Mitarbeiter Ihres Unternehmens einsehbar sind. Schließlich erlangen Sie dadurch einen 360 Grad Blick auf alle Kunden und legen damit die Basis für langfristige Kundenbeziehungen.
Fazit – Gesteigerte Kundenzentrierung durch Nutzung hybrider Vertriebskanäle
Es lässt sich festhalten, dass die Kundenreise zunehmend digital wird. Auf der einen Seite bietet die Digitalisierung des Vertriebs neue Chancen für B2B-Unternehmen, wie z.B. eine gesteigerte Flexibilität oder die Möglichkeit einer flächendeckenden Kundenbetreuung. Auf der anderen Seite stellt die Digitalisierung Unternehmen vor neue Herausforderungen, wie beispielsweise die zunehmende Heterogenität der Kundenanforderungen.
Diese hybriden Kundenbedürfnisse machen ein Umdenken der bestehenden Vertriebsprozesse sowie den Einsatz von Softwares zum Erfordernis. Mithilfe von CRM- und Kommunikations-Tools können Sie den Verkaufsprozess ihrer Kunden im hybriden Raum vorbereiten und begleiten. Dabei dürfen Sie keinesfalls die Relevanz des persönlichen Kontakts unterschätzen. Insbesondere bei der Neukundenakquise und -bindung werden auch in Zukunft zwischenmenschliche Kundeninteraktionen notwendig sein.
Durch den kombinierten Einsatz analoger und digitaler Vertriebswege bildet die hybride Vertriebsstrategie schließlich die Grundlage für den nachhaltigen Vertriebserfolg.
In unseren weiterführenden Beiträgen zu Digitalen Distributionskanälen und dem Kontaktmanagement finden Sie weitere nützliche Tipps für Ihre Digitalisierungsstrategie.
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